Gesellschaftsrechtliches Digitalisierungsgesetz 2022 – Erleichterungen und Entlastungen
Mit 1. Dezember 2022 ist das Gesellschaftsrechtliche Digitalisierungsgesetz 2022 (GesDigG 2022) unter der Zielsetzung, bestimmte Erleichterungen für Neugründungen und die Veröffentlichung von Jahresabschlüssen sowie eine Senkung der Firmenbuchgebühren vorzusehen, in Kraft getreten.
Österreich ist damit der Richtlinie (EU) 2019/1151 vom 20. Juni 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht (Digitalisierungs-RL) nachgekommen und hat hiermit die noch ausstehenden Richtlinienvorgaben gesetzlich umgesetzt.
Zentrales Anliegen der Digitalisierungs-RL ist es, folgende Handlungen bzw Maßnahmen vollständig online zu ermöglichen und damit Erleichterungen vorzusehen betreffend:
- die Gründung von (Kapital-)Gesellschaften,
- die Eintragung von Zweigniederlassungen solcher Gesellschaften in anderen Mitgliedstaaten sowie
- die spätere Einreichung von Urkunden und Informationen zum jeweiligen nationalen Unternehmensregister (Firmenbuch).
Die bisherige österreichische Rechtslage hat der Digitalisierungs-RL bereits in vielen Punkten entsprochen (zB Möglichkeit der Online-Gründung einer GmbH, Online-Einreichungen zum Firmenbuch über ERV), doch wurden mit dem GesDigG 2022 nun weitere Regelungen und Erleichterungen eingeführt. Auch wurden Senkungen bzw gänzliche Streichungen von Firmenbuchgebühren vorgenommen.
Erleichterungen bei Gründungen (Ersteintragungen)
- Das Erfordernis eines inländischen Bankkontos bei Gründung einer GmbH entfällt; das Stammkapital kann nun bei Banken aus allen EU-/EWR-Staaten eingezahlt werden. Alternativ – bereits seit dem Deregulierungsgesetz 2017 – kann die Einzahlung temporär auf ein Notar-Treuhandkonto erfolgen.
- Die schon bisher seit der „Vereinfachte GmbH-Gründungsverordnung“, VGGV, BGBl. II Nr. 363/2017, vorgesehene Möglichkeiten der digitalen GmbH-Gründung wurden aber unverändert belassen. Damit kann aktuell nur eine natürliche Person eine Einpersonen-GmbH, sofern der Gründungsgesellschafter zugleich einziger Geschäftsführer ist, ohne notarielle Mitwirkung über das Unternehmensserviceportal (USP) mittels E-ID bzw Bürgerkarte gründen.
- Aus Servicegründen wird neuerdings ein Muster einer Errichtungserklärung (Einpersonen-GmbH) bzw eines Gesellschaftsvertrages (Mehrpersonen-GmbH) samt FB-Antrag sowie englischer Übersetzungen auf justiz.gv.at zur Verfügung gestellt: https://www.justiz.gv.at/service/datenbanken/firmenbuch/muster-gmbh-gruendung-samt-firmenbuchantrag.aa8.de.html. Die Beiziehung berufsmäßiger Auskunftspersonen in Rechtssachen (Notar, Rechtsanwalt) ist unverändert zu empfehlen.
- Für Neueintragungen von Gesellschaften und inländischen Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften (außer im Falle von Umgründungen) ist ab nun eine Frist von 5 Arbeitstagen vorgesehen; ist dies nicht möglich, hat das Firmenbuchgericht dem Antragsteller die Gründe für die Verzögerung der Eintragung mitzuteilen.
Firmenbuch
- Firmenbuchanmeldungen von Einzelunternehmern können unter Verwendung des Elektronischen Identitätsnachweises (E-ID) bzw der Bürgerkarte zur Gänze online und ohne notarielle Beglaubigung vorgenommen werden.
- Die für Online-Registrierungen erhobenen Gebühren dürfen laut Digitalisierungs-RL maximal kostendeckend sein, womit auch die Firmenbuchgebühren reduziert wurden. Eintragungsgebühren entfallen künftig zur Gänze für:
– Offenlegung des Jahresabschlusses / Konzernabschlusses
– Eintragungen betreffend Geschäftsführer
– Eintragungen betreffend Gesellschafter
- Sämtliche Eintragungen in das Firmenbuch – mit Ausnahme solcher für Einzelunternehmen und Personengesellschaften – werden automatisch in der Ediktsdatei und im Amtsblatt zur Wiener Zeitung veröffentlicht.
- Firmenbuchabfrage: Im Einklang mit der Digitalisierungs-RL können Informationen über Firma, Rechtsform, Sitz, Geschäftsanschrift und vertretungsbefugte Personen kostenlos über https://justizonline.gv.at/jop/web/firmenbuchabfrage abgefragt und als „Aktueller Teilauszug kostenfrei“ heruntergeladen werden.
- Informationsaustausch: Das Business Registers Interconnection System (BRIS) soll den Zugang zu Informationen über europäische Unternehmen durch ein „Europäisches System der Registervernetzung“ erleichtern und die Kommunikation aller europäischen Handelsregister hinsichtlich grenzüberschreitender Verschmelzungen und ausländischer Zweigniederlassungen Eintragungen werden aber nicht automatisch übernommen; so müssen zB Änderungen der Geschäftsführer der ausländischen Gesellschaft für die österreichische Zweigniederlassung weiterhin eigens angemeldet werden – allerdings wird ab nun das FB-Gericht mittels BRIS informiert und kann die Anmeldung (unter Androhung von Zwangsstrafen) erwirken.
Erleichterungen bei der Offenlegung von Jahres- und Konzernabschlüssen
- Jahresabschlüsse sind seit 1. Juli 2022 grundsätzlich in strukturierter Form (xml-Format) über FinanzOnline oder den Elektronischen Rechtsverkehr (ERV) einzureichen.
- Für kleine GmbH und kleine kapitalistische Personengesellschaften (GmbH & Co KG) ist die Erstellung der xml-Datei durch händische Erfassung der Bilanzdaten in einem elektronischen Formular (https://justizonline.gv.at/jop/web/formulare/kategorie/2) möglich, welches derzeit aber nur über FinanzOnline eingereicht werden kann.
- Nur, wenn die Einreichung des Jahresabschlusses nicht strukturiert (im xml-Format) möglich ist, können die Unterlagen weiterhin als pdf-Anlage oder über den ERV eingebracht werden.
- Die Veröffentlichung von Jahresabschlüssen von großen Aktiengesellschaften im Amtsblatt zur Wiener Zeitung kann nun wahlweise auch über das Firmenbuchgericht verlangt werden, sofern eine zum Abdruck geeignete elektronische Fassung mit eingereicht wird; diese Regelung gilt auch für zu veröffentlichende Konzernabschlüsse.
- Bei Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften können Jahresabschlüsse der Hauptniederlassung neben Deutsch auch in Englisch („einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache“) offengelegt werden. Die Einreichung soll aber nur dann erforderlich sein, wenn der Jahresabschluss der Hauptniederlassung nicht über das BRIS in deutscher Sprache oder „in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache“ für das Firmenbuch abrufbar ist. Ob dabei neben Englisch noch andere Sprachen als zulässig angesehen werden, lässt sich den Materialien zum GesDigG 2022 aber nicht entnehmen.