EuGH: Recht auf Vorsteuerabzug bei konzerninternen Dienstleistungen

Der EuGH hatte sich kürzlich mit der Frage des Vorsteuerabzugs bei konzerninternen Dienstleistungen zu beschäftigen und kam dabei zu dem Schluss, dass der Anspruch auf Vorsteuerabzug nach den objektiven Inhalten des jeweiligen Umsatzes zu beurteilen ist. Nicht relevant ist hingegen, ob die Dienstleistungen gleichzeitig an mehrere Konzerngesellschaften erbracht werden oder ob sie tatsächlich erforderlich waren.
Der Vorsteuerabzug stellt einen integralen Bestandteil des europäischen Mehrwertsteuersystems dar und kann grds nicht eingeschränkt werden. Denn Zweck ist es, den Steuerpflichtigen vollständig von der im Rahmen aller seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer zu entlasten, um die Neutralität der MwSt im unternehmerischen Bereich zu gewährleisten.1 Dabei ist insb der Vorsteuerabzug iZm konzerninternen Dienstleistungen immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen.
1. Anlassfall
Weatherford Atlas Gip (W) gehört zu der Unternehmensgruppe Weatherford. 2016 übernahm das Unternehmen durch eine Verschmelzung die rumänische Gesellschaft Forserco SA (F SA), einschließlich aller Rechte und Pflichten. In den Jahren 2015 und 2016 hatte die F SA in Rumänien Dienstleistungen für einige Kunden erbracht, für deren Erbringung sie allgemeine Verwaltungsdienstleistungen der Weatherford-Gruppe, im Zusammenhang mit IT, Personalwesen, Marketing, Buchhaltung und Beratung erwarb. Diese Verwaltungsdienstleistungen wurden von der Weatherford-Gruppe gleichzeitig auch an andere Unternehmen derselben Gruppe verkauft.
Nach der Verschmelzung kam es zu einer Prüfung durch die rumänische Steuerverwaltung, wobei diese W das Recht verweigerte, als Gesamtrechtsnachfolger der F SA Vorsteuerabzug für die erworbenen Verwaltungsdienstleistungen geltend zu machen, ua mit der Begründung, dass nicht nachgewiesen wurde, ob ein Zusammenhang zwischen den erworbenen Dienstleistungen und der Tätigkeit der F SA bestand. Zudem fehle der Nachweis, ob die durch F SA erworbenen Dienstleistungen für sie überhaupt notwendig waren.
Der von W hiergegen eingelegte Einspruch wurde von der Steuerverwaltung mit Entscheidung zurückgewiesen, woraufhin W eine Anfechtungsklage beim Regionalgericht Prahova in Rumänien erhob. Das Gericht wies darauf hin, dass lediglich strittig sei, ob der Steuerpflichtige die Dienstleistungen benötigt habe oder nicht. Es sei fraglich, ob das Recht auf Vorsteuerabzug, auf Basis einer subjektiven Bewertung durch die Steuerverwaltungen in Bezug auf die Notwendigkeit von Dienstleistungen, versagt werden kann, wenn erwiesen ist, dass die damit verbundenen Kosten zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen zählen.
Das Gericht setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:
Darf eine nationale Steuerverwaltung das Recht auf Vorsteuerabzug bei konzerninternen Dienstleistungen mit der Begründung versagen, dass diese Dienstleistungen gleichzeitig auch an andere Konzerngesellschaften erbracht wurden und ihr Erwerb nicht erforderlich oder zweckmäßig sei?
2. Urteil des EuGH
EuGH 12.12.2024, C-527/23, Weatherford Atlas Gip
Das Recht auf Vorsteuerabzug2 setzt voraus, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem Eingangsumsatz und den Ausgangsumsätzen bestehen muss.3 Bei Fehlen eines solchen Zusammenhangs kann das Recht auf Vorsteuerabzug aber auch dann weiterhin bestehen bleiben, wenn die Kosten zu den allgemeinen Aufwendungen gehören und als solche Kostenelemente der Ausgangsumsätze sind.4
Das Vorliegen eines solchen Zusammenhangs muss dabei anhand des objektiven Inhalts der Umsätze beurteilt werden. Daher hat das vorlegende Gericht ermitteln, inwieweit die betreffenden Dienstleistungen tatsächlich erbracht wurden, um es dem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, seine besteuerten Umsätze zu erbringen. Nur insoweit belastet die Vorsteuer die erbrachten Dienstleistungen des Steuerpflichtigen und darf abgezogen werden.5
Zudem muss der Betroffene „Steuerpflichtiger“ iSd MwStSystRL sein. Der EuGH weist darauf hin, dass die Weatherford-Gruppe aus unterschiedlichen Steuerpflichtigen besteht, somit keine Mehrwertsteuergruppe bildet, da die Gruppenmitglieder nicht auf das Gebiet desselben Mitgliedsstaates6 beschränkt sind.7
Unerheblich ist bei der Frage nach dem Recht auf Vorsteuerabzug demgegenüber der Umstand, dass die Verwaltungsdienstleistungen der Weatherford-Gruppe gleichzeitig an mehrere Empfänger erbracht wurden. Auch unerheblich ist die Frage, ob die Dienstleistungen erforderlich oder zweckmäßig waren, denn das Mehrwertsteuersystem soll die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von deren Zweck oder Ergebnis gewährleisten. Das einmal entstandene Recht auf Vorsteuerabzug bleibt daher auch dann bestehen, wenn die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit später nicht ausgeübt wird.8
Somit ist Art 168 MwStSystRL dahingehend auszulegen, dass die Bestimmung der Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug durch eine Steuerverwaltung mit der Begründung, dass die konzerninternen Dienstleistungen gleichzeitig auch an andere Konzerngesellschaften erbracht wurden und ihr Erwerb nicht erforderlich sei, entgegensteht, wenn der Steuerpflichtige die Dienstleistungen auf der nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner eigenen besteuerten Umsätze verwendet.
Conclusio
Das vorliegende Urteil bestätigt die hA in Österreich in zwei Bereichen:
- Zum einen sind die Wirkungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft auf Innenleistungen zwischen dem im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt.9
- Zum anderen bleibt auch (in Österreich) das Recht auf Vorsteuerabzug bestehen, wenn die Kosten für bezogene Dienstleistungen als allgemeine Aufwendungen in den Preis für die Ausgangsumsätze eingehen, womit auch ein direkter Zusammenhang – als Voraussetzung für einen Vorsteuerabzug – zu bejahen ist.10
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- Vgl EuGH 07.03.2024, C-341/22, Feudi di San Gregorio Aziende Agricole, Rn 27.
- Gemäß Art 167 ff MwStSystRL.
- Vgl EuGH 20.01.2022, C-90/20, Apcoa Parking Danmark, Rn 27 mwN.
- Vgl EuGH 04.10.2024, C-475/23, Voestalpine Giesserei Linz, Rn 21.
- Vgl EuGH 01.10.2020, C-405/19, Vos Aannemingen, Rn 40ff.
- Gemäß Art 11 MwStSystRL.
- Vgl EuGH 11.03.2021, C-812/19, Danske Bank, Rn 24.
- Vgl EuGH 13.06.2024, C-696/22, C, Rn 94.
- Vgl UStR 2000, Rz 240.
- Vgl UStR 2000, Rz 1802.