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VwGH: Veräußerung Mitunternehmeranteil unter Zurückbehal­tung von Sonder­betriebs­vermögen

Tax News - 07. Apr 2023 | 5 Minuten Lesezeit

Der VwGH war kürzlich mit der Frage eines begünstigungsfähigen Veräußerungsgewinnes gemäß § 24 EStG 1988 bei Veräußerung von Teilen eines Mitunternehmeranteiles unter Zurückbehaltung von Sonderbetriebsvermögen befasst. Eine Aufdeckung sämtlicher mit dem Geschäftsanteil verbundenen stillen Reserven ist demnach nicht gefordert.

Personengesellschaften, die im Rahmen eines Betriebes unternehmerisch tätig sind, gelten als (steuerliche) Mitunternehmerschaften. Wenngleich das Gesetz den Begriff der Mitunternehmerschaft nicht definiert, werden doch die Offene Gesellschaft (OG) und die Kommanditgesellschaft (KG) als Beispiele angeführt. Die Gesellschafter der Mitunternehmerschaften (sog. Mitunternehmer) erzielen betriebliche Einkünfte, womit sich für eine Veräußerung des Gesellschaftsanteils schon aus den Grundsätzen der betrieblichen Gewinnermittlung eine Erfassung bisher nicht versteuerter (stiller) Reserven als „Veräußerungsgewinn“ ergibt. Werden Wirtschaftsgüter, die nicht zum Gesellschaftsvermögen gehören, sondern im (wirtschaftlichen) Allein- bzw Miteigentum eines bzw mehrerer Mitunternehmer stehen, der Gesellschaft entgeltlich oder unentgeltlich zur Nutzung überlassen, liegt damit sog. Sonderbetriebsvermögen vor.

Diese Gegebenheiten finden sich häufig in der praktischen Konstellation, dass „private“ Liegenschaften dem Betrieb einer Kommanditgesellschaft oder Offenen Gesellschaft dienen, nicht aber in deren Eigentum stehen, sondern eben dem bzw den Gesellschafter(n) gehören.

Wird (zB anlässlich des Übertrittes eines Gesellschafters in den Ruhestand) nur ein Teil des Mitunternehmeranteils (Mitunternehmeranteilsquote) vom Mitunternehmer ggf unter gänzlicher Zurückbehaltung des damit verbundenen Sonderbetriebsvermögens veräußert, war es bislang ungeklärt, ob damit eine ggf begünstigungsfähige Betriebsveräußerung gemäß § 24 EStG 1988 verwirklicht wird. Denn eine klare österreichische Rsp wie auch übereinstimmende Literaturmeinungen dazu fehlten.

Dessen ungeachtet qualifizierte das Bundesfinanzgericht (BFG 24.11.2021, RV/5101414/2020) wie auch die langjährige Verwaltungspraxis (Rz 5984 EStR 2000) die Veräußerung eines Teiles des Gesellschaftsanteils ohne anteilige Veräußerung des Sonderbetriebsvermögens nicht als Veräußerungsgewinn gemäß § 24 EStG 1988, was die Inanspruchnahme abgabenrechtlicher Begünstigungen jedenfalls ausschloss.

Dieser Rechtsansicht hat der VwGH nun mit Erkenntnis vom 26.01.2023, Ro 2022/15/0006-6, widersprochen.

1.

Anlassfall

Die Revisionswerberin im zu beurteilenden Fall war eine GmbH & Co KG, die durch errichtende Umwandlung einer N GmbH gemäß Art II UmgrStG entstanden ist. Einziger Gesellschafter und Geschäftsführer der N GmbH war MN. Durch die errichtende Umwandlung der N GmbH auf eine Personengesellschaft wechselten bisher im Privatvermögen des MN gehaltene (und bisher an die GmbH vermietete) Grundstücke umwandlungsbedingt in das Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters MN.

Im selben Jahr veräußerte MN von seinem 100 %igen Kommanditanteil 75 %, das Sonderbetriebsvermögen wurde nicht mitveräußert, und MN legte seine Geschäftsführungsfunktion zurück. MN war im Zeitpunkt der Veräußerung älter als 60 Jahre. Der Veräußerungsgewinn des 75 %igen Kommanditanteils wurde in der Steuererklärung als Veräußerungsgewinn gemäß § 24 EStG 1988 erfasst und die Altersbegünstigung des Hälftesteuersatzes (§ 37 Abs 5 Z 3 EStG 1988) beantragt.

Vom Finanzamt wurde keine Veräußerung eines Mitunternehmeranteils gemäß § 24 EStG 1988 anerkannt, weil das Sonderbetriebsvermögen nicht anteilig mitveräußert worden war.

Im nachfolgenden Rechtsmittelverfahren vertrat auch das BFG die Ansicht, ein Veräußerungsgewinn nach § 24 EStG 1988 liege nicht vor, mit der Begründung, dass mit der Veräußerung des Mitunternehmeranteils nicht sämtliche stille Reserven (somit auch jene des Sonderbetriebsvermögens) aufgedeckt worden sind.

2.

Erkenntnis des VwGH

Der VwGH hält in dessen Erkenntnis eingangs fest, dass der Mitunternehmeranteil nicht nur den Anteil am Gesellschaftsvermögen, sondern auch das Sonderbetriebsvermögen umfasst (VwGH 19.05.2005, 2000/15/0179). Auch wenn ein Anteil eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen ist, veräußert wird, liegt ein Veräußerungsgewinn vor (§ 24 Abs 1 Z 1 EStG 1988 dritter Teilstrich). Dies gilt nicht nur für die Veräußerung des gesamten Mitunternehmeranteils, sondern auch, wenn nur eine quotale Veräußerung des Anteils erfolgt (zB VwGH 06.04.1995, 94/15/0194).

Nach der stRsp des VwGH liegt eine Betriebsveräußerung vor, „wenn ein in sich organisch geschlossener Kreis von Wirtschaftsgütern übereignet wird, der die wesentliche Grundlage des Betriebes bildet, wenn also ein lebender Betrieb veräußert wird und der Erwerber dadurch in die Lage versetzt wird, den Betrieb fortzuführen.“ Dabei ist der zivilrechtliche Titel, der den Erwerber zur Nutzung bestimmter Teile des Betriebsvermögens berechtigt, nicht ausschlaggebend (zB VwGH 28.09.2011, 2008/13/0025). Gehört zB eine Liegenschaft zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebes und wird sie im Zuge der Veräußerung aller übrigen wesentlichen Grundlagen zurückbehalten, so reicht es aus, wenn dem Erwerber unter Mitwirkung des Veräußerers die Nutzung an der Liegenschaft verschafft wird (VwGH 24.02.2011, 2009/15/0161).

Im vorliegenden Fall wurde nur eine Quote des Mitunternehmeranteils veräußert und die betriebliche Nutzung der Liegenschaft durch die Mitunternehmerschaft fortgesetzt, womit die Liegenschaft die Weiterführung des Betriebes ermöglichte (und diese weiterhin im Sonderbetriebsvermögen verblieb). Der Revisionswerberin und damit auch den Erwerbern der Mitunternehmeranteile wurde damit die Weiterführung des Betriebes ermöglicht.

Der VwGH sah im vorliegenden Fall daher eine Veräußerung im Sinne des § 24 EStG 1988 als gegeben, welche grundsätzlich die Begünstigungen (Freibetrag nach § 24 Abs 4 EStG 1988, die Drei-Jahresverteilung nach § 37 Abs 2 EStG 1988 bzw den Hälftesteuersatz gemäß § 37 Abs 5 EStG 1988) ermöglicht.

Da aber die Altersbegünstigung der Hälftesteuersatzbesteuerung (§ 37 Abs 5 EStG 1988) die Veräußerung des gesamten Betriebes voraussetzt, hat dies für Mitunternehmeranteile zur Folge, dass auch der gesamte Mitunternehmeranteil veräußert werden müsste, um die Voraussetzungen für die begünstigte Besteuerung zu erfüllen. Die Veräußerung bloß einer Quote eines Mitunternehmeranteils berechtigt daher nicht zur Hälftesteuersatzbegünstigung, womit der VwGH der Revisionswerberin den beantragten Hälftesteuersatz schließlich – wenn auch aus anderem Grund – versagte.

3.

Praktische Auswirkungen

Das Erkenntnis des VwGH ist von weitreichender praktischer Bedeutung, da damit erstmals klargestellt wurde, dass es bei Veräußerung eines Teiles eines Mitunternehmeranteils für das Vorliegen eines begünstigungsfähigen Veräußerungsgewinnes nach § 24 EStG 1988 nicht darauf ankommt, dass auch anteilig Sonderbetriebsvermögen realisiert wird. Ein begünstigungsfähiger Veräußerungsgewinn setzt daher auch nicht die Aufdeckung aller mit dem Gesellschaftsanteil verbundenen stillen Reserven voraus. Dies eröffnet neue Perspektiven in der Beratungspraxis.

Auch darf eine Anpassung der Verwaltungspraxis (Rz 5984 EStR 2000) an die nun vorliegende Rsp des VwGH erwartet werden.