Gemischte Schenkung – Abgrenzung Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit von Verwaltungspraxis übernommen
Bereits im Jahr 2021 hat der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) die Anwendbarkeit der Immobilienertragsteuer bei Vorliegen sog. gemischter Schenkungen von Grundstücken eingeschränkt, da Entgeltlichkeit erst bei höherer Gegenleistung anzunehmen ist als dies bisher von der Finanz-verwaltung angenommen wurde. Diese Rechtsprechung wurde nun von der Verwaltungspraxis übernommen.
Eine gemischte Schenkung ist eine Schenkung, bei welcher der Geschenknehmer eine Gegenleistung erbringt, weshalb solche bei Grundstücksübertragungen in bestimmten Fällen auch der Immobilienertragsteuer (ImmoESt) unterliegen können. Die gemischte Schenkung wird im Ertragsteuerrecht – anders als für Zwecke der Grunderwerbsteuer – nicht in einen unentgeltlichen, teilentgeltlichen und entgeltlichen Teil aufgespalten, sondern gemäß dem im Vordergrund stehendem Element einheitlich zugeordnet. Damit kommt der Höhe der Gegenleistung auch eine bedeutende Rolle insb für die ertragsteuerlichen Beurteilung von Grundstückstransaktionen zu.
Abgrenzung von Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit
Bisherige Ansicht der Finanzverwaltung
Das BMF hat zuletzt die Meinung vertreten, dass bei der gemischten Schenkung zur Abgrenzung von Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit die aus § 20 Abs 1 Z 4 EStG abgeleitete 50 %-Grenze maßgeblich ist („Überwiegensprinzip“, EStR 2000 Rz 6625). Daher wurde ertragsteuerlich auch davon ausgegangen, dass der Schenkungscharakter überwiegt und folglich eine unentgeltliche gemischte Schenkung vorliegt, wenn die Gegenleistung 50 % des gemeinen Wertes des übertragenen Gegenstandes nicht erreicht.
Rechtsprechung des VwGH
Bereits im Jahr 2021 war der VwGH mit der gemischten Schenkung und der Anwendbarkeit des § 20 Abs 1 Z 4 EStG auf gemischte Schenkungen befasst und hat mit Erkenntnis vom 16.11.2021, Ro 2020/15/0015-6 zur 50 %-Grenze wegweisend Stellung bezogen.
Die Abgrenzung von Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit bei der gemischten Schenkung habe demnach ausschließlich nach den von der Rechtsprechung bereits in der Vergangenheit entwickelten Grundsätzen und nicht anhand des § 20 Abs 1 Z 4 EStG zu erfolgen. Es sei aufgrund der objektiven Umstände auf eine allf Schenkungsabsicht bzw einen Bereicherungswillen des Leistenden zu schließen, wobei es auf den Hauptzweck bzw den Gesamtcharakter des Geschäfts ankomme. Dabei könne bei nahen Angehörigen eine Schenkungsabsicht im Zweifel vermutet werden, weshalb selbst bei einem krassen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung der unentgeltliche Charakter wohl überwiegt.
Weicht der Wert der Gegenleistung um nicht mehr als 25 % vom Wert des übertragenen Wirtschaftsgutes ab und liegen keine besonderen Umstände vor, die einen unentgeltlichen Gesamtcharakter nahelegen, ist idR von einem entgeltlichen Rechtsgeschäft auszugehen.
Änderung der Einkommensteuerrichtlinien
Mit EStR-Wartungserlass 2023 wurde nun die Rechtsprechung des VwGH zur 75 %-Grenze in die Einkommensteuerrichtlinien 2000 (EStR 2000) übernommen, wobei sich das BMF für die praktikable Umsetzung enschieden hat, nach Übertragungen vor und nach dem 16.11.2021 zu differenzieren (EStR 2000 Rz 6625).
Für Übertragungen vor dem 16.11.2021 mit einer Gegenleistung zwischen 50 % und 75 % des gemeinen Wertes, bei der gegenüber der Abgabenbehörde keine Unentgeltlichkeit behauptet wurde, kommt aufgrund der offenkundigen Willenserklärung, ein entgeltliches Rechtsgeschäft abschließen zu wollen, eine spätere „Umqualifikation“ in einen unentgeltlichen Übertragungsvorgang nicht in Betracht.
War hingegen eine unentgeltliche Übertragung gewollt, die vom Finanzamt unter Berufung auf die 50 %-Grenze aber nicht anerkannt wurde, ist eine Abänderung bzw Aufhebung der Bescheide (binnen Jahresfrist) gemäß § 299 BAO oder im Fall einer Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 BAO möglich, um die Frage der Entgeltlichkeit bzw Unentgeltlichkeit neu zu bewerten.
Für Übertragungen nach dem 15.11.2021 gilt nach der Verwaltungspraxis nun für ertragsteuerliche Zwecke:
- Beträgt die Gegenleistung zumindest 75 % des gemeinen Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes, ist davon auszugehen, dass eine (entgeltliche) Veräußerung vorliegt.
- Beträgt die Gegenleistung höchstens 25 % des gemeinen Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes, liegt eine unentgeltliche Übertragung vor.
- Beträgt die Gegenleistung mehr als 25 % aber weniger als 75 % des gemeinen Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes, ist unter Angehörigen grundsätzlich von einer unentgeltlichen Übertragung auszugehen.
Anders als die grunderwerbsteuerliche Abgrenzung der Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit anhand der Schwellenwerte 70 % und 30 %, bezieht sich das Ertragsteuerrecht daher auf den Korridor von 75 % und 25 %.
Zu der vom Erwerber aus eigenen Mitteln aufzubringenden Gegenleistung gehören dabei zB auch an Dritte zu leistende Zahlungen und nach Ansicht der Finanzverwaltung außerdem übernommene Verbindlichkeiten (EStR 2000 Rz 6655). Vom Übergeber zurückbehaltene Wohn- oder Fruchtgenussrechte mindern hingegen den Wert der Liegenschaft.
Die 75 %-Grenze ist auch für Erbteilungen und Erbauseinandersetzungen anwendbar, wobei die genannten Regelungen für die Ausgleichszahlungen aus nachlassfremden Mitteln anzuwenden sind.
Praktische Auswirkungen
Bei gemischten Übertragungsvorgängen ist es von Bedeutung, ob die Absicht des Leistenden, eine Gegenleistung zu erhalten, durch die teilweise Schenkungsabsicht überlagert wird, denn die Übertragung (ausgenommen Rentengeschäfte) ist entweder zur Gänze als entgeltlich oder als unentgeltlich zu qualifizieren. Der subjektive Wille des Leistenden muss sich dabei aus den gegebenen Umständen des Einzelfalles erschließen, wobei dem Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung eine besondere Indizwirkung zukommt.
Auf Grundlage der genannten VwGH-Entscheidung ist bei Gestaltungen im Familienverband mit Schenkungsabsicht auf die 75 %-Wertgrenze zu achten bzw ob ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt. Denn Liegenschaftsveräußerungen lösen bei Entgeltlichkeit ImmoESt-Pflicht nach § 30 EStG aus. Die genannten Grundsätze gelten aber auch für die Übertragung anderer Gegenstände (zB Kapitalanteile), sofern als Gegenleistung nicht Rentenzahlungen vereinbart werden.