EuGH zur deutschen umsatzsteuerlichen Organschaftsregelung
Der Europäische Gerichtshof hat zuletzt zu Grundsatzfragen der deutschen umsatzsteuerlichen Organschaftsregelung entschieden. Aufgrund der vergleichbaren Rechtslage könnte das Urteil auch für Österreich Bedeutung erlangen.
Das mit 1. Dezember 2022 ergangene Urteil (EuGH 01.12.2022, C-141/20, Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie mbH) bezieht sich auf die Regelung, wonach Unternehmen des Organträgers eine Mehrwertsteuergruppe (Organschaft) zu bilden.
Ist ein selbständiger Rechtsträger nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch einem anderen Unternehmen (Organträger) derart untergeordnet, dass dieser keinen eigenen Willen hat, ist dieser Rechtsträger (Organ) umsatzsteuerlich als unselbständiger Teil des Organträger-Unternehmens zu qualifizieren.
Diese umsatzsteuerliche Organschaftslehre – Lehre von der Unselbständigkeit juristischer Personen – ist im Steuerrecht von der deutschen Rechtsprechung entwickelt worden und wurde durch die gesetzliche Verankerung präzisiert. Nach Unionsrecht ist den Mitgliedstaaten eine Organschaftsregelung freigestellt, erfordert aber die Einhaltung bestimmter Regelungen.
Aus diesem Grund wurde die Rechtsprechung dazu auch mit Spannung erwartet, insbesondere, da sich dem EuGH in dieser Rechtssache damit auch die Gelegenheit bot, zur grundsätzlichen Unionsrechtskonformität der deutschen Organschaftsregelung Stellung zu nehmen.
Grundsätzliche Unionsrechtskonformität
Wie auch das österreichische Recht bestimmt das deutsche Umsatzsteuerrecht den Organträger zum einzigen Steuerpflichtigen der Organschaft. In der MWSt-RL abweichend dazu ist die Gruppe als solches als Steuerpflichtiger definiert.
Der EuGH vertritt nun die Auffassung, dass die Bestimmung des Organträgers als einzigen Steuerpflichtigen bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen aus unionsrechtlicher Sicht auch nicht zu beanstanden sei.
Kein Erfordernis der Stimmrechtsmehrheit
Bedeutsam ist die Feststellung des EuGH, dass für das Vorliegen einer Organschaft das Erfordernis einer Stimmrechtsmehrheit zusätzlich zur Mehrheitsbeteiligung nicht unionsrechtskonform ist.
Dieser Aussage kommt auch aus der Sicht Österreichs Bedeutung zu, da auch die österreichische Verwaltungspraxis eine Stimmrechtsmehrheit fordert und dies in Rz 236 der Umsatzsteuerrichtlinien 2000 (EStR 2000) sogar als „entscheidend“ für die Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft hervorhebt.
Keine typisierende Betrachtung als nicht selbstständig
Etwas unscharf erscheinen hingegen die Ausführungen des EuGH zur nicht zulässigen typisierenden Qualifikation der einzelnen Organgesellschaften als „nicht selbstständig“: Die MWSt-RL ist lt EuGH dahingehend auszulegen, dass diese es einem Mitgliedstaat nicht gestattet, Einheiten im Wege der Typisierung als nicht selbständig anzusehen, wenn sie finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in den Organträger einer Mehrwertsteuergruppe eingegliedert sind.
Conclusio
Welche praktischen Auswirkungen sich aus der Feststellung des EuGH ergeben, ist unseres Erachtens noch unklar. Dazu bleibt es das Folgeurteil des Bundesfinanzhofs (BFH) abzuwarten.