VwGH: Hauptwohnsitzbefreiung nur für Grund und Boden bis 1.000 m2
Der VwGH präzisiert mit Erkenntnis vom 24.04.2024 seine Rechtsprechung, wonach die Hauptwohnsitzbefreiung bei privaten Grundstücksveräußerungen nicht für beliebig große Grundstücke gilt, sondern nur, soweit die Grundstücksgröße „üblicherweise“ erforderlich ist. Die Hauptwohnsitzbefreiung wird bei privaten Grundstücksveräußerungen damit für Grund und Boden nur bis 1.000 m2 zugestanden.
Der VwGH hatte zuletzt über eine ordentliche Revision zu entscheiden, wobei fraglich war, ob – wie bereits vom Bundesfinanzgericht (BFG) angenommen – die Hauptwohnsitzbefreiung gemäß § 30 Abs 2 Z 1 EStG 1988 Grundstücke nur bis zu einer Größe von 1.000 m2 von der Einkommensteuer befreit. Der VwGH bestätigte die Rechtsansicht des BFG und berief sich dabei insb auf die Materialien zur Stammfassung des EStG 1988, wonach nur der „typischerweise“ erforderliche Bauplatz von der Befreiung mitumfasst ist. Daraus ergibt sich das Erfordernis einer typisierenden Betrachtung.
VwGH 24.04.2024, Ro 2022/15/00201
1. Sachverhalt
Der Revisionswerber (Rw) verkaufte im Jahr 2013 ein Grundstück. Auf der Liegenschaft befand sich ein als Hauptwohnsitz genutztes Gebäude; die Gesamtgrundstücksgröße betrug 3.637 m2. Mit dem genannten Grundstück wurde auch eine angrenzende Liegenschaft verkauft. Im Rahmen der Selbstberechnung und Abfuhr der Immobilienertragsteuer (ImmoESt) wurde der auf das Gebäude und den Grund und Boden des erstgenannten Grundstücks entfallende Kaufpreisanteil gemäß § 30 Abs 2 Z 1 lit a EStG 1988 (Hauptwohnsitzbefreiung) steuerfrei belassen.
Infolge einer Außenprüfung beim Rw folgte das Finanzamt der Beurteilung des Rw nicht und berücksichtigte Grund und Boden im Rahmen der Hauptwohnsichtbefreiung lediglich im Ausmaß von 1.000 m2.
Der dagegen erhobenen Beschwerde gab weder das Finanzamt (im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung) noch das BFG (infolge des Vorlageantrages) Folge. Das Abstellen auf eine Grundfläche von 1.000 m2 erachtete das BFG als praktikabel und ausreichend und führte hierzu aus, der VwGH habe in der Entscheidung VwGH 29.03.2017, Ro 2015/15/0025 zwar ausgesprochen, dass die Befreiung nach § 30 Abs 2 Z 1 EStG 1988 Grund und Boden nur in dem Ausmaß dem begünstigten Eigenheim zuordnet, das üblicherweise für einen Bauplatz erforderlich ist. Die Revision ließ das BFG daher mit dem Hinweis zu, es fehle Rsp des VwGH zur Frage, ob die üblicherweise erforderliche Größe eines Bauplatzes im Rahmen einer typisierenden Betrachtung zu treffen sei oder die Verhältnisse vor Ort zu berücksichtigen wären.
2. Entscheidung des VwGH
§ 30 Abs 2 EStG 1988 befreit Einkünfte aus der Veräußerung von Eigenheim und Eigentumswohnungen samt Grund und Boden unter bestimmten Voraussetzungen von der Besteuerung. Aus den Erläuterungen zur Stammfassung des § 30 EStG 19882 geht hervor, dass die Steuerbefreiung auch für den „Grundanteil bzw. den Grund gelte, der üblicherweise als Bauplatz erforderlich ist“. Daraus leitete der Gerichtshof im Erkenntnis VwGH 29.03.2017, Ro 2015/15/0025 ab, dass der Hauptwohnsitzbefreiung in Bezug auf Grund und Boden eine größenmäßige Beschränkung zu entnehmen wäre. Überdies ergäbe sich die Notwendigkeit der Limitierung auch aus dem ertragsteuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzip und dem daraus abgeleiteten Erfordernis, einen Beitrag zur Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu leisten.
30 Abs 2 Z 1 EStG 1988 ist so auszulegen, dass Grund und Boden im üblicherweise als Bauplatz erforderlichen Ausmaß begünstigt ist. Nicht entscheidend ist hierbei die Lage und die Bebauung des konkreten Grundstücks. Vielmehr ist eine typisierende Betrachtung geboten, die sich – unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung – an Durchschnittswerten zu orientieren hat.
Im Geltungsbereich des EStG 1972 hat die frühere Verwaltungspraxis eine Bauplatzgröße von 500 m2 als angemessen angesehen; dies erfolgte in Anlehnung an die Rsp des VwGH zur Arbeiterwohnstätte. Nachdem die Nutzflächenbegrenzung bei Eigenheimen und Eigentumswohnungen weggefallen war3, wurde das Ausmaß einer „generell üblichen Bauparzelle“ mit 1.000 m2 angenommen. Nach Ansicht des VwGH ist ein Bauplatz in diesem Ausmaß typischerweise als ausreichend anzusehen, zumal Grund und Boden begrenzt sind und Bauplätze mit zunehmender Bebauung auch tendenziell kleiner werden.
Das Finanzamt und das BFG gingen davon aus, dass dem Rw die Steuerbefreiung nach § 30 Abs 2 Z 1 EStG 1988 bis zu einer Grundstückfläche von 1.000 m2 zusteht. Dass der Rw dadurch in seinen Rechten verletzt wird, ist für den VwGH nicht erkennbar und wird in der Revision auch nicht nachvollziehbar dargetan. Die Revision war daher unbegründet, weshalb sie auch abzuweisen war.4
Conclusio
Der VwGH präzisiert mit dem vorliegenden Erkenntnis seine Rsp, wonach die Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs 2 Z 1 EStG 1988 nicht für beliebig große Grundstücke gilt, sondern nur, soweit die Grundstücksgröße „üblicherweise“ erforderlich ist. § 30 Abs 2 Z 1 EStG 1988 gilt seit dem 1. StabG 20125. Gemäß den Materialien hierzu soll der Veräußerungserlös ungeschmälert zur Schaffung eines neuen Wohnsitzes zur Verfügung stehen.6 Mit diesem Ziel steht die vorliegende Entscheidung wohl nicht im Einklang.
Demgegenüber hat der VwGH auch die Materialien7 zur Stammfassung des § 30 EStG 19888 herangezogen, weil die Hauptwohnsitzbefreiung idF 1. StabG 2012 „wie bisher Eigenheime und Eigentumswohnungen samt Grund und Boden“ befreien soll. Da die Materialien klar zum Ausdruck bringen, nur der „üblicherweise“ erforderliche Grundanteil sei zu befreien, scheint eine typisierende Betrachtung dem Willen des Gesetzgebers zu entsprechen.
Die „Luxustangente für Grundstücke“ zu beziffern und diese mit 1.000 m2 zu limitieren, könnte freilich eine praktikable Lösung sein. Gleichzeitig kann eine typisierende Betrachtung aber auch zu eklatanten Wertungswidersprüchen im Einzelfall führen. Denn, dass zB der Veräußerungserlös eines 1.100 m2 Grundstücks im ländlichen Bereich nicht zur Gänze befreit ist, ein 900 m2 Grundstück in bester städtischer Lage (mit einem wohl erwartbar deutlich höheren Veräußerungserlös) hingegen befreit ist, lässt sich mit dem vom VwGH auch ins Treffen geführten Leistungsfähigkeitsprinzip wohl kaum begründen.
- Anmerkung: In der am selben Tag ergangenen Entscheidung VwGH 24.04.2024, Ro 2022/15/0044, wird hinsichtlich der Rechtsfrage „Hauptwohnsitzbefreiung nur bis 1.000 m2?“ auf diese Entscheidung VwGH 24.04.2024, Ro 2022/15/0020 verwiesen.
- Vgl ErläutRV 621 BlgNR 17. GP 82.
- Vgl ErläutRV 457 BlgNR 15. GP 20.
- Gemäß § 42 Abs 1 VwGG.
- BGBl I 2012/22.
- Vgl ErläutRV 1680 BlgNR 24. GP 8.
- Vgl ErläutRV 621 BlgNR 17. GP.
- BGBl 1988/400.